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Informationen


In 2013 wurde das Sorgerecht nicht verheirateter Eltern im Gesetz  (in Kraft getreten am 19.5.2013) neu geregelt. Wird keine gemeinsame Sorgeerklärung von den Eltern abgegeben, ist die Mutter allein sorgeberechtigt. Der Vater hat dann die Möglichkeit, beim Familiengericht die Übertragung der gemeinsamen Sorge zu beantragen. Das Gesetz geht davon aus, dass die gemeinsame elterliche Sorge grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Eltern entspricht. Dem Kind werde dadurch verdeutlicht, dass beide Eltern gleichermaßen bereit sind, für das Kind Verantwortung zu tragen.

Allerdings setzt die gemeinsame Sorge voraus, dass eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern und ein Mindestmaß an Übereinstimmung  in erzieherischen Fragen besteht. Ist dies nicht der Fall, kann die gemeinsame Sorge für das Kind eine übermäßige Belastung darstellen. Dann muss das Gericht den Antrag des Vaters zurückweisen. Dafür reicht es aber nicht aus, dass die Mutter die gemeinsame Sorge ablehnt oder dass Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern bestehen. Vielmehr muss die elterliche Kommunikation so nachhaltig und schwerwiegend gestört sein, dass zu befürchten ist, dass den Elstern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird. -  Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die Beziehung der Eltern eine ausreichende Basis für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge hergibt oder ob sie dem Kindeswohl widerspricht (OLG Celle Beschluss vom 16.1.2014 AZ 10 UF 80/13).

Nach der alten Gesetzeslage war der Vater von der elterlichen Sorge ausgeschlossen, wenn die Mutter ihre Zustimmung verweigerte.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am 21.7.2010 diesen Zustand für verfassungswidrig erklärt, weil dadurch das Elternrecht des Vaters (Artikel 6 Grundgesetz) verletzt werde. Obwohl es nicht sofort eine gesetzliche Neuregelung gab, waren seitdem die Familiengerichte schon verpflichtet, auf Antrag des Vaters über die elterliche Sorge zu entscheiden und zu prüfen, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht. Hierfür ist nun eine gesetzliche Grundlage geschaffen worden.
Stimmt die Mutter der Begründung der gemeinsamen Sorge nicht zu, muss der Vater ein gerichtliches Verfahren vor dem Familiengericht einleiten. Dort erhält die Mutter zunächst schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das Familiengericht kann im beschleunigten schriftlichen Verfahren – ohne persönliche Anhörung der Eltern - entscheiden, wenn die Mutter entweder nicht Stellung nimmt oder sich zwar äußert, aber keine kindeswohlrelevanten Gründe vorträgt und dem Gericht derartige Gründe auch sonst nicht bekannt sind.

Wenn die Mutter allerdings Gründe vorträgt, die einer Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, darf das Gericht das vereinfachte Verfahren nicht mehr durchführen. Es muss dann in das normale Sorgerechtsverfahren überleiten, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen, eine Stellungnahme des Jugendamtes anfordern und im Termin die Eltern anhören. In der Regel wird auch ein Verfahrensbeistand für das Kind bestellt. Das Gericht ist gehalten, sich einen umfassenden Eindruck von den Beteiligten verschaffen. Zwar entspricht die gemeinsame Sorge dem Leitbild des Gesetzes. Doch ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob im Hinblick auf die soziale Beziehung der Eltern und ihre Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft die gemeinsame Sorge nicht (ausnahmsweise) dem Kindeswohl widerspricht.
Wenn das Familiengericht über das Sorgerecht oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ein minderjähriges Kind zu entscheiden hat, müssen im Verfahren bestimmte Mindeststandards eingehalten werden: (1) Für das Kind ist ein geeigneter Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrung seiner Interessen erforderlich ist. (2) Auch noch nicht 14 Jahre alte Kinder sind persönlich anzuhören, wenn deren Bindungen und Neigungen oder ihr Wille für die Entscheidung von Bedeutung sind, wovon regelmäßig auszugehen ist. (3) Das Jugendamt muss angehört werden. Dadurch soll eine am Kindeswohl orientierte gerichtliche Entscheidung gewährleistet werden. Der Entzug der elterlichen Sorge ist ein schwerer Eingriff in das Elternrecht und das Recht des Kindes auf Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung durch beide Elternteile. Sie kann sich nachteilig auf das Kind auswirken und die Beziehung zu dem Elternteil nachhaltig schädigen, dem die Sorge entzogen worden ist. Die Verletzung dieser Grundsätze stellt einen schweren Verfahrensfehler dar und führt in der Regel zur Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren (OLG Oldenburg, Beschluss vom 2.8.2017 AZ: 14 UF 39/17).
Soweit dies mit dem Kindeswohl zu vereinbaren ist, muss das Gericht in einem Sorgerechtsverfahren den Willen des Kindes berücksichtigen.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Köln hin. In dem betreffenden Fall war die allein sorgeberechtige Mutter eines 12-jährigen Sohnes verstorben. Der Vater wollte das Sorgerecht. Zum Vater wollte das Kind jedoch nicht. Es hatte wiederholt erklärt, den Vater nicht mehr sehen zu wollen. Diese ablehnende Haltung hatte sich während des Verfahrens noch verstärkt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass es das Wohl des Kindes erheblich gefährde, wenn dieser Wunsch übergangen werden würde. Es sei vielmehr richtig, die Tante als Vormund einzusetzen. Dies entspreche sowohl dem testamentarischen Willen der verstorbenen Kindesmutter als auch dem geäußerten Wunsch des Kindes. Zudem lebe das Kind bereits im Haushalt der Tante und ihres Ehemannes. Es sei daher sachgerecht, wenn die Tante unmittelbar die Entscheidungen für das Kind treffen könne. Bedenken gegen ihre Erziehungsfähigkeit seien auch nicht ersichtlich (OLG Köln, II-4 UF 229/11).
Besteht zwischen den getrennt lebenden Eltern keine tragfähige soziale Beziehung mehr und kann ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen nicht mehr erzielt werden, entspricht es dem Kindeswohl, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und auf einen Elternteil zu übertragen. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Streit der Eltern um das Sorgerecht ihres Kindes (AZ: II-4 UF 204/11). Der Maßstab für die Entscheidung über das Sorgerecht ist stets das Kindeswohl. Wichtige Gesichtspunkte hierbei sind die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens. Diese Kriterien können im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam sein für die Beurteilung, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Das Gericht ist verpflichtet, alle von den Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Gesichtspunkte aufzuklären und unter Kindeswohlgesichtspunkten gegeneinander abzuwägen. Nur so kann eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung erzielt werden. Im vorliegenden Fall stand fest, dass sich der Kontakt der Eltern auf vehemente gegenseitige Schuldzuweisungen beschränkte. Einigung konnte in keinem Punkt erzielt werden. Da die Trennung bereits über zwei Jahre zurücklag und auch alle Versuche einer Elternberatung gescheitert waren, konnte nach Ansicht der Richter mit einer Verbesserung der Beziehung nicht gerechnet werden. Es sei daher im Sinne des Kindes, die elterliche Sorge auf einen Elternteil zu übertragen (OLG Köln, II-4 UF 204/11).
Wenn nach der Trennung die Kommunikation der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht funktioniert, stellt sich die Frage, ob jeder Elternteil einen eigenen Anspruch auf Auskunft über die Belange des Kindes gegenüber Dritten hat. Dies ist grundsätzlich zu bejahen.  Bei einer ärztlichen Behandlung des Kindes steht jedem Elternteil ein Informationsanspruch gegen den Arzt zu. Die Bank ist verpflichtet, jedem Elternteil die Höhe des Guthabens des Kindes oder Jugendlichen mitzuteilen. Die Kita muss jedem Elternteil Auskunft über den Entwicklungsstand des Kindes geben. Auch gegenüber staatlichen Schulen haben die Eltern eigene Rechte auf Auskunft über die Belange des Kindes. Bei älteren Kindern muss jedoch deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung beachtet werden. Vertraut sich ein schon einsichts- und urteilsfähiges Kind seinem Arzt an, ist die Einwilligung des Kindes für die Weitergabe seiner Daten an die Eltern erforderlich. Im Bereich der Schule ist allerdings grundsätzlich nicht von einem die Eltern ausschließenden Vertrauensbereich auszugehen. Etwas anderes gilt jedoch für Gespräche des Kindes oder Jugendlichen mit einem in der Schule tätigen Sozialarbeiter oder Psychologen. Hier wäre wiederum die Einwilligung des Kindes oder Jugendlichen nötig.
Das gesetzliche Leitbild einer gemeinsamen elterlichen Sorge für nicht-eheliche Eltern setzt voraus, dass die Eltern in der Lage sind, auch gemeinsam die Bedürfnisse ihres Kindes wahrzunehmen. In einer Entscheidung vom 7.4.2014 kam das Oberlandesgericht Schleswig (AZ 15 UF 140/13) zu dem Ergebnis, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Das Gericht führte aus, dass die andauernde Kommunikationsstörung zwischen den Eltern die Prognose nahe läge, dass sie künftige Entscheidungen nicht ohne Beeinträchtigung des Kindes treffen könnten. Der Verfahrensbeistand und das Jugendamt hätten festgestellt, dass das Kind unter den fortwährenden Streitigkeiten der Eltern zum Umgang und über Erziehungsfragen leide. Mit zunehmendem Alter würde das Kind den Streit der Eltern immer bewusster wahrnehmen. Oberster Maßstab sei das Kindeswohl. Die Uneinigkeit und der Zwist der Eltern dürften nicht dazu führen, dass das Kind Schaden nehme. Die mangelhafte Kommunikationsfähigkeit und –bereitschaft der Eltern sei daher ein wichtiger Grund, den Antrag auf gemeinsame Sorge abzulehnen.