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Informationen


Dem Pflichtteilsrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass ein bestimmter Kreis von nahen Angehörigen nach dem Erbfall einen Mindestanspruch gegen den Nachlass haben soll. Dadurch wird die Testierfreiheit des Erblassers eingeschränkt. Pflichtteilsberechtigt sind
  • die Abkömmlinge des Erblassers
  • der Ehegatte und
  • die Eltern.

Zu den Abkömmlingen zählen Kinder, auch nichteheliche Kinder oder Adoptivkinder, sowie Enkel und Urenkel. Allerdings sind Enkel und Urenkel ausgeschlossen, solange die Kinder leben. Eltern haben nur ein Pflichtteilsrecht, wenn keine Abkömmlinge (Kinder, Enkel etc.) vorhanden sind.

Es kann vorkommen, dass auch Kinder vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen sind, z. B. wenn sie auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet haben, wenn sie für erbunwürdig erklärt wurden oder wenn der Erblasser im Testament wirksam die Entziehung des Pflichtteils angeordnet hat. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Einzelfall zu prüfen.
Wenn der Erblasser seine Kinder oder den Ehegatten enterbt, steht diesen ein Pflichtteilsanspruch zu. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach dem Wert des Nachlasses. Wie ist in diesem Zusammenhang eine Lebensversicherung zu berücksichtigen?
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat sich in einer Entscheidung vom 23.2.2010 mit folgendem Fall befasst: Der verwitwete Erblasser hinterließ einen Sohn und eine Stieftochter, die er in einem Testament zu seiner alleinigen Erbin eingesetzt hatte. Seine Stieftochter hatte er außerdem in einer Lebensversicherung als Bezugsberechtigte benannt, so dass an diese nach seinem Tode die Lebensversicherungssumme von 100.000 € ausgezahlt wurde.
Der enterbte Sohn klagte seinen Pflichtteil ein und berechnete seinen Anspruch unter Einbeziehung der ausgezahlten Lebensversicherung, - Das Gericht gab ihm recht: Der Erblasser habe den Anspruch gegen die Versicherung seiner Stieftochter zugewandt. Dies sei eine Schenkung zu Lebzeiten, die mit dem Eintritt des Versicherungsfalles wirksam werde.
Daraus ergab sich für den Sohn ein Anspruch in Höhe der halben Versicherungssumme.
Das Oberlandesgericht Koblenz hat in einer Entscheidung vom 14.6.2010 klargestellt, welche Stellung die pflichtteilsberechtigten Kinder beim Vorliegen eines Berliner Testamentes haben. Die Eltern, die im Abstand von einigen Jahren verstorben waren, hatten sich in einem Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt und verfügt, dass ihr Sohn den zuletzt versterbenden Elternteil beerben sollte. Die beiden Töchter sollten nichts erhalten. Ihnen stand daher der Pflichtteil gegenüber ihrem Bruder zu. - Das Gericht wies darauf hin, dass die Erbfolge nach der Mutter und die Erbfolge nach dem Vater deutlich auseinander zu halten sind. Jedes von seinen Eltern enterbte Kind hat danach zwei Pflichtteilsansprüche, je einen beim Tode jedes Elternteils. Das gilt insbesondere bei Vorliegen eines Berliner Testamentes, denn dieses regelt im Normalfall nicht einen, sondern zwei Erbfälle. Jeder dieser beiden Erbfälle löst für das enterbte Kind einen Pflichtteilsanspruch aus. Im vorliegenden Fall war die Mutter mehr als 3 Jahre nach dem Vater verstorben. Es konnte daher nur noch der Pflichtteil nach der Mutter verlangt werden, da der Pflichtteilsanspruch nach dem Vater war bereits verjährt.
Der Bundesgerichtshof hat sich in einer Entscheidung vom 13.4.2011 (AZ: IV ZR 204/09) mit der Frage befasst, wann den Enkeln ein Pflichtteilsanspruch zusteht. Die Großeltern hatten sich in einem Ehegattentestament gegenseitig zu Erben bestimmt und ihren Sohn zum Schlusserben eingesetzt. Der Sohn hatte 2 Kinder. Nach dem Tod des Großvaters widerrief die Großmutter das Ehegattentestament, schloss ihren Sohn von der Erbfolge aus und entzog ihm mit näherer Begründung auch den Pflichtteil. Außerdem setzte sie einen der Enkel zu ihrem Erben ein. Nachdem die Großmutter gestorben war, verlangte der andere Enkel seinen Pflichtteil. Das Gericht gab ihm Recht. Danach haben die Enkel aber nicht neben dem Kind, sondern nur anstelle des Kindes ein Pflichtteilsrecht. Die Enkel sind demnach nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn dem vorrangigen Kind der Pflichtteil wirksam entzogen wurde. Dies kann auch durch ein Testament erfolgen.
Verzichtet ein Bezieher von Arbeitslosengeld II auf sein Pflichtteilsrecht, so handelt er grundsätzlich nicht sittenwidrig. Dies hat das Sozialgericht Stuttgart mit Beschluss vom 8.3.2012 (AZ 15 AS 925/12 ER) in folgendem Fall entschieden: Der Antragsteller hatte mit seinem Vater vertraglich vereinbart, dass er auf seinen Pflichtteil   beim Tode des Vaters verzichte. Kurz darauf verstarb der Vater. Das Jobcenter verweigerte dem Antragsteller die Leistung, weil er auf ein Vermögen von ca. 280.000 € verzichtet habe und der Pflichtteilsverzicht daher sittenwidrig sei. Dem trat das Gericht entgegen. Der Antragsteller habe von der ihm nach bürgerlichem Recht zustehenden Vertragsfreiheit Gebrauch gemacht. Danach sei er berechtigt, seinen Pflichtteilsanspruch auszuschließen. Dem Antragsteller könne auch nicht unterstellt werden, dass er allein in der Absicht gehandelt habe, den Sozialleistungsträger zu schädigen. Der Verzichtende wisse bei einer zu Lebzeiten abgegebenen Verzichtserklärung nicht, was beim Tod des Erblassers im Nachlass vorhanden sein werde und ob bzw. in welcher Höhe ihm überhaupt ein Pflichtteilsanspruch zustehe. Deshalb sei die mit dem Vater getroffene Vereinbarung nicht sittenwidrig, sondern auch sozialrechtlich wirksam.
Wenn ein Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses noch über Resturlaub verfügt, den er wegen einer anhaltenden Krankheit nicht mehr nehmen konnte, kann er hierfür von seinem ehemaligen Arbeitgeber einen finanziellen Ausgleich verlangen (Urlaubsabgeltung). Nach bisheriger Rechtsprechung verfiel dieser Anspruch mit dem Tode des Arbeitnehmers. Seit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22.9.2015 (AZ: 9 AZR 170/14) wird der Anspruch auf Urlaubsabgeltung jedoch als vererblich angesehen und geht folglich auf den Erben des Arbeitnehmers über. Für den Erben bedeutet das, dass diese Ansprüche den Wert des Nachlasses erhöhen. Sämtliche Ansprüche auf Auskunft, Abrechnung und Zahlung aus dem Arbeitsverhältnis kann der Erbe  gegenüber dem Arbeitgeber des Erblassers geltend machen. Auch der Pflichtteilsberechtigte sollte an diese Ansprüche denken. Sie fallen in den Nachlass und erhöhen somit seinen Pflichtteil. Darauf ist der Erbe im Rahmen der zu erteilenden Auskunft über den Bestand des Nachlasses explizit hinzuweisen.

Werden ein Kind und/oder der Ehegatte enterbt, bleibt ihnen immer noch der Pflichtteil. Sie haben dann einen Zahlungsanspruch gegen den Erben. Aber was wird aus dem Pflichtteil, wenn der Pflichtteilsberechtigte verschuldet ist und sich in der Insolvenz befindet? Es kommt dann darauf an, wann der Erbfall eintritt und wann der Pflichtteil verlangt wird:

Tritt der Erbfall in der ersten Phase des Insolvenzverfahrens (Abwicklungsphase) ein, wird der Pflichtteilsanspruch durch den Insolvenzverwalter verwertet. Er ist dann für den Insolvenzschuldner verloren. Anders ist es jedoch, wenn der Erbfall in der zweiten Phase des Insolvenzverfahrens (Wohlverhaltensperiode) eintritt. Macht der Schuldner jetzt seinen Pflichtteil geltend, muss er ihn nur zur Hälfte an den Insolvenzverwalter herausgeben. Wenn der Schuldner hingegen zuwartet und seinen Pflichtteil erst nach der Wohlverhaltensphase verlangt, verbleibt er ihm sogar in voller Höhe. Eine strategische Zeitplanung kann hier also von großer Bedeutung sein

Der Erblasser kann einem Kind den Pflichtteil entziehen, wenn es dafür bestimmte, im Gesetz im einzelnen geregelte, schwerwiegende Gründe gibt. Danach kann die Pflichtteilsentziehung gerechtfertigt sein, wenn das Kind sich eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegenüber dem Erblasser, dessen Ehegatten oder sonstigen nahestehenden Personen des Erblassers schuldig gemacht hat. Diese Gründe müssen jedoch im Testament genau angegeben werden. In einer Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 12.12.2017 (AZ: 5 W 53/17) hatte die Erblasserin folgendes geschrieben: „Mein Sohn hat innerhalb meiner Familie viele Straftaten begangen wie z. B. Einbrüche in meine Wohnung und die Wohnung meiner Tochter sowie mehrfachen Diebstahl u. a. meines Schmuckes. Deshalb ist seine Teilhabe am Nachlass unzumutbar.“ Das war für das Gericht nicht ausreichend. Vielmehr sei erforderlich, dass der Sachverhalt nach Ort und Zeit erkennbar sei. Im Testament müssen daher die Taten, die Anlass für die Pflichtteilsentziehung geben, unter Angabe von Ort und Zeit genau beschrieben werden.

Kinder haben nach ihren Eltern einen Pflichtteilsanspruch, wenn sie durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Die Höhe des Anspruches richtet sich nach dem Wert der Erbmasse und dem Wert der Schenkungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten vorgenommen hat. Solche Schenkungen können auch darin liegen, dass Eheleute sich untereinander Vermögenswerte zuwenden. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 14.3.2018 AZ: IV ZR 170/16) hat hierzu folgendes ausgeführt: Der Ehemann war alleiniger Eigentümer eines Grundstückes und übertrug davon den hälftigen Anteil auf seine Frau. Die monatliche Rate für den gemeinsam aufgenommenen Hausbaukredit zahlte er von seinem Konto. Die Eheleute hatten sich durch Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt. Nach dem Tode des Ehemannes verlangten die Kinder ihren Pflichtteil. Nach Auffassung des Gerichts könne die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück als Schenkung an die Ehefrau angesehen werden. Gleiches gelte für die monatlichen Zahlungen an die Bank in Höhe der hälftigen Zinsbeträge, da die Ehefrau dadurch von ihren (anteiligen) Bankschulden befreit worden sei. Derartige Zuwendungen unter Eheleuten können im Einzelfall als unentgeltlich anzusehen sein und zu ergänzenden Pflichtteilsansprüchen der Kinder führen.

Wenn der Verstorbene seine Kinder durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen hat, steht diesen der Pflichtteil zu. Dieser Pflichtteil muss gegenüber dem testamentarischen Erben geltend gemacht werden. Hier gilt eine Verjährungsfrist von 3 Jahren. Diese Frist beginnt jedoch erst zu laufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte
(1.) Kenntnis vom Erbfall hat,
(2.) er den Inhalt des Testamentes kennt, durch welches er enterbt oder in seinem Erbrecht eingeschränkt wurde und
(3.) ihm die Person des Erben bekannt ist. Eine grob fahrlässige Unkenntnis steht der Kenntnis gleich.
Wie der Pflichtteilsberechtigte von diesen Umständen erfährt, ist egal. Auch die mündliche Mitteilung des Testamentsinhaltes kann ausreichen. Eine Pflicht zur Nachforschung, etwa über den Eintritt des Erbfalls oder das Vorliegen eines Testamentes, besteht jedoch nicht. Die Verjährung beginnt dann mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von diesen Umständen erfahren hat.