•   guenther@kanzlei-gsg.de
  •   Hotline 03391 45 41 0

Informationen


In der Beratungspraxis stellt sich des öfteren die Frage, ob schon zu Lebzeiten des Erblassers die Erb- und Pflichtteilsansprüche künftiger Erben gesichert werden können. Grundsätzlich ist dies nicht zulässig, da erst im Erbfall feststeht, wer aufgrund eines Testamentes oder kraft Gesetzes Erbe geworden ist. Bis dahin ist auch ungewiss, ob der potentielle Erbe den Erbfall überhaupt erlebt. Er hat daher ediglich eine rechtlich nicht geschützte Erberwartung. 
Es gibt jedoch Ausnahmen. In bestimmten Fällen geht die Rechtsprechung von einem bereits bestehenden, konkreten Rechtsverhältnis aus.
Beispiel:
F und M haben sich in einem Testament wechselseitig zu Erben und ihre 3 Kinder Anton, Bernd und Cäsar zu Schlusserben zu je 1/3 eingesetzt. Cäsar soll die Eigentumswohnung in Neuruppin erhalten. Nach dem Tode des M im Jahre 2015 kam die F im Oktober 2020 ins Pflegeheim. Inzwischen hat sie einen Betreuer. Im März 2021 überträgt sie die Eigentumswohnung gegen Zahlung von 100.000,00 € auf Bernd. Cäsar ist der Meinung, dass die Übertragung der Wohnung unwirksam ist, da seine Mutter gar nicht mehr geschäftsfähig ist.
- Hier ist es möglich, beim Gericht ein selbstständiges Beweisverfahren zur Klärung der Geschäftsfähigkeit der F durchzuführen. Dadurch wird die künftige Erbauseinandersetzung zwischen den Geschwistern vorbereitet.

Nach dem Erbfall sind Vollmachten für den Erben von Bedeutung. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:

1. Der Bevollmächtigte kann direkt nach dem Tod des Erblassers handeln, ohne die Erteilung des Erbscheines oder die Eröffnung eines Testamentes abwarten zu müssen. Dies ist wichtig, wenn kurzfristig gehandelt werden muss. Der Bevollmächtigte kann auch zu unentgeltlichen Verfügungen ermächtigt werden.
    
2. Die Vollmacht kann schriftlich erstellt werden, die Unterschrift sollte öffentlich beglaubigt werden.
    
3. Es gibt die transmortale Vollmacht, die bereits zu Lebzeiten des Erblassers wirksam ist und über dessen Tod hinaus fortdauert und es gibt die postmortale Vollmacht, die erst mit dem Tod des Erblassers wirksam wird.
    
4. Die Nachlassvollmacht kann isoliert, aber auch bei Erstellung einer Vorsorgevollmacht oder in Verbindung mit einem Testament erteilt werden. Im Testament kann zugleich eine bestimmte Person mit der Abwicklung des Nachlasses beauftragt werden. Der Vollmachtgeber kann den Bevollmächtigten anweisen, die Vollmacht erst nach seinem Tode zu verwenden.
    
5. Bei Anordnung von Testamentsvollstreckung ist es sinnvoll, dass der Testamentsvollstrecker zugleich der Bevollmächtigte ist.

Mit einer Vorsorgevollmacht bestimmen Sie eine Person Ihres Vertrauens, Sie bei der Wahrnehmung Ihrer Vermögens- und/oder Gesundheitsangelegenheiten zu vertreten, sobald Sie dazu selbst nicht mehr in der Lage sind. Eine solche Vollmacht ist Ausdruck der Selbstbestimmung. Eine gerichtlich angeordnete Betreuung ist dann nicht erforderlich. Allerdings ist der Bevollmächtigte verpflichtet, im Interesse seines Vollmachtgebers tätig zu werden. Tut er dies nicht, kann das Gericht  (Betreuungsgericht) eine sogenannte Kontrollbetreuung anordnen. Voraussetzung dafür ist
a) zum einen, dass der Vollmachtgeber krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten selbst zu überwachen   und
b) zum anderen, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bevollmächtigte ungeeignet ist. Dies kann der Fall sein bei ernst zu nehmenden Zweifeln an seiner Redlichkeit oder bei einem schwerwiegenden Interessenkonflikt oder wenn er mit dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung überfordert ist (BGH Beschluss vom 16.7.2014 AZ: XII 142/14). Entsprechende Umstände sind dem Gericht darzulegen.
Das Gericht hat dann nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob eine Betreuung zum Zwecke der Kontrolle und Überwachung des Bevollmächtigten eingerichtet werden muss.
Die zu Lebzeiten einem anderen erteilte Vollmacht wirkt grundsätzlich über den Tod des Vollmachtgebers hinaus. Dann spricht man von einer transmortalen Vollmacht. In einer Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 9.3.2015 AZ: 20 W 49/15) hatten die Eheleute sich in einem Testament gegenseitig zu Erben und eine Stiftung zum Schlusserben eingesetzt. Nach dem Tode der Ehefrau erteilte der Ehemann seinem Sohn eine transmortale Vollmacht. Mit dieser Vollmacht übertrug der Sohn das Grundstück des Ehemannes nach dessen Tod ohne Gegenleistung auf sich und seine Kinder. Das OLG Frankfurt vertrat die Auffassung, diese Grundstücksschenkung sei wirksam, die Zustimmung des Erben (der Stiftung) sei nicht erforderlich. Ob dies richtig ist, ist allerdings zweifelhaft: Der Sohn handelte ja nach dem Tode des Vaters im Namen des Erben. Er war somit verpflichtet, auch im Interesse des Erben zu handeln. Mit der Grundstücksübertragung verstieß er jedoch eindeutig gegen die Interessen des Erben. Es dürfte daher ein Fall des Vollmachtsmissbrauchs vorgelegen haben. Dadurch wurde die Vollmacht unwirksam. Jedenfalls hätte sich der Sohn gegenüber dem Erben schadensersatzpflichtig gemacht.
Hat der Erblasser einem seiner Kinder eine Vorsorgevollmacht erteilt, ist  dieses Kind nach dem Erbfall grundsätzlich zur Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet. In einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 6.12.2017 – 7 U 1519/17) hatte die in 2015 verstorbene Mutter ihre 3 Kinder zu Erben eingesetzt, ihrem ältesten Sohn jedoch 3 Jahre zuvor eine Vorsorgevollmacht erteilt. Als die Mutter im Pflegeheim war, verkaufte dieser Sohn ihr Hausgrundstück für 565.000,00 €. Bei ihrem Tode befanden sich jedoch nur noch 86.000,00 € auf ihrem Konto. Das Gericht stellte fest, dass die Geschwister Auskunft über die Rechtsgeschäfte verlangen können, die ihr Bruder in Ausübung der Vollmacht zu Lebzeiten der Mutter vorgenommen hat. Es sind ein Nachlassverzeichnis, eine übersichtliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben und die entsprechenden Belege vorzulegen Die Aufstellung muss die Entwicklung des Nachlassvermögens aufzeigen und so detailliert und verständlich sein, dass der Berechtigte ohne fremde Hilfe seine Ansprüche prüfen kann.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 15.3.2015 folgenden Fall entschieden: Die Ehefrau war schwer an Alzheimer erkrankt und lebte in einem Pflegeheim. Dort wurde sie künstlich ernährt. Eine vernünftige  Kommunikation mit ihr war nicht mehr möglich. Ihr Ehemann ertrug diesen Zustand nicht und durchtrennte den Verbindungsschlauch zur Magensonde. Das Personal des Pflegeheims konnte die Verbindung jedoch wieder herstellen. Einen Monat später starb die Ehefrau an einer Lungenentzündung, ohne dass es einen ursächlichen Zusammenhang mit den Handlungen des Ehemannes gab. War der Ehemann Erbe geworden? Der BGH verneinte dies. Der Ehemann sei nicht berechtigt gewesen, die lebenserhaltende Maßnahme abzubrechen. Die Ehefrau habe keine Patientenverfügung errichtet, an der er sich hätte orientieren können. Auch eine Genehmigung des Betreuungsgerichts habe nicht vorgelegen. Der Ehemann sei daher erbunwürdig. Außerdem wurde er wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt.
Der in einer Patientenverfügung niedergelegte Wille ist auch im Sozialrecht zu beachten, wie das Bundessozialgerichts (Urteil vom 4.12.2014  AZ: B 2 U 18/13) entschieden hat: Der Ehemann wurde auf dem Weg nach Hause von der Arbeit von einem Motorrad angefahren und schwer verletzt. Seitdem lag er im Wachkoma. Die Ärzte stellten auch nach 4 Jahren keine Besserung in Aussicht. Daher entschloss sich die Ehefrau in Absprache mit den beiden erwachsenen Söhnen, den vor dem Unfall geäußerten Willen ihres Mannes umzusetzen. Sie durchtrennte die Magensonde, so dass ihr Mann starb. Die gesetzliche Unfallversicherung weigerte sich, ihr die Witwenrente und das Sterbegeld zu zahlen, weil sie den Tod ihres Mannes vorsätzlich herbeigeführt habe. Dagegen klagte die Witwe mit Erfolg: Nach Auffassung des Gerichts sei der Wille des Patienten, keine lebenserhalten Maßnahmen erdulden zu müssen, generell zu beachten. Dieser Wille sei Ausdruck der Menschenwürde. Der insoweit vollzogene Behandlungsabbruch dürfe daher auch im Versicherungsrecht keine negativen Folgen haben. - Fazit: Der durch eine Patientenverfügung gedeckte Wunsch, eine Behandlung nicht fortzusetzen, bindet auch den Sozialversicherungsträger.