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Informationen

Es gibt 2 Möglichkeiten, Erbe zu werden:
(1) Die Berufung zum Erben kann auf dem Willen des Verstorbenen beruhen, den dieser in einem Testament oder Erbvertrag niedergeschrieben hat. Dies ist die gewillkürte Erbfolge.
(2) Die Berufung zum Erben kann auch auf dem Gesetz beruhen. Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn kein oder kein wirksames Testament (oder kein wirksamer Erbvertrag) vorliegt. Grundsätzlich geht die gewillkürte Erbfolge vor. Hat der Erblasser jedoch nur über einen Teil seines Vermögens testamentarisch verfügt, kann daneben die gesetzliche Erbfolge zum Zuge kommen.

Die gesetzliche Erbfolge ist auch für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen von Bedeutung.
 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird häufig nicht zwischen "vererben" und "vermachen" unterschieden. Rechtlich besteht hier jedoch ein großer Unterschied.

Erbe ist derjenige, dem das gesamte Vermögen des Erblassers oder ein Bruchteil davon nach Maßgabe eines Testamentes oder nach dem Gesetz zugefallen ist. 

Der Erblasser kann jedoch auch jemandem testamentarisch etwas zukommen lassen, ohne dass diese Person Erbe wird. Dann handelt es sich um ein Vermächtnis. Durch ein Vermächtnis kann jeder beliebige Nachlassgegenstand zugewendet werden, z. B. Geld, Bankkonten, Wertpapiere, ein Wohnrecht, Forderungen oder Beteiligungen an einer Gesellschaft. Der Begünstigte heißt Vermächtnisnehmer. Er hat gegen den Erben einen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses. Weigert sich der Erbe, muss der Vermächtnisnehmer gerichtlich vorgehen.

Bei einem Testament ist daher immer vorab zu klären, ob ein Vermächtnis oder eine Erbeinsetzung vorliegt. 


Gesetzliche Erben sind die Verwandten und der Ehegatte des Erblassers.

Maßgeblich ist die rechtliche, nicht die Blutsverwandtschaft zum Erblasser. Die biologische und rechtliche Verwandtschaft können auseinander fallen, z. B. bei dem durch eine Samenspende gezeugten Kind oder bei einem in der Ehe geborenen, aber nicht vom Ehemann biologisch abstammenden Kind. Dann ist gegebenenfalls zunächst ein Verfahren zur Feststellung bzw. Anfechtung der Vaterschaft durchzuführen.

Das gesetzliche Erbrecht teilt die Verwandten des Erblassers in verschiedene Ordnungen ein, je nachdem ob sie vom Erblasser selbst oder (nur) von dessen Vorfahren in direkter Linie abstammen. Die Verwandten der 1. Ordnung verdrängen dabei die Verwandten der aufsteigenden Ordnungen.

Das Erbrecht des Ehegatten hängt davon ab, in welchem Güterstand er mit dem Erblasser verheiratet war und welche Verwandten der Erblasser hinterlassen hat. 

Für Erbfälle in den alten Bundesländern galt immer noch ein Gesetz aus dem Jahr 1969: Danach sind alle vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder nicht mit ihrem Vater verwandt und deshalb vom gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht nach ihrem Vater ausgeschlossen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte bereits in einem Urteil vom 29.5.2009 ausgeführt, dass diese Regelung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße. Darauf reagierte der deutsche Bundestag mit einer Gesetzesänderung: Auch alle vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder sollten gesetzliche Erben ihrer Väter sein - allerdings nur für Erbfälle ab dem 29.5.2009. Für alle früheren Erbfälle galt das alte Gesetz weiter.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGHMR) hat nun auch diese Regelung gekippt: Der in den 1950er Jahren aus der DDR nach Westdeutschland übergesiedelte Erblasser war im Januar 2009 verstorben. Er hinterließ seine Ehefrau und eine 1940, vor der Eheschließung geborene Tochter. Die deutschen Gerichte vertraten bis zur letzten Instanz die Auffassung, dass der Tochter kein Erbrecht zustünde. Erst der EuGHMR (Urteil vom 9.2.2017 AZ: 29762/10) gab ihr Recht: Das deutsche Gesetz diskriminiere die nichtehelich geborenen Kinder. Es verstoße gegen das Recht auf Achtung des Familienlebens (Art. 8 EMRK) und das Verbot der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung (Art. 14 EMRK). Alle nichtehelich geborenen Kinder müssten nach ihrem Vater ein gesetzliches Erbrecht haben, auch bei Erbfällen vor dem 29.5.2009. Der deutsche Gesetzgeber ist nun aufgefordert, das Gesetz nochmals entsprechend zu ändern.

 


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