Allerdings setzt die gemeinsame Sorge voraus, dass eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern und ein Mindestmaß an Übereinstimmung in erzieherischen Fragen besteht. Ist dies nicht der Fall, kann die gemeinsame Sorge für das Kind eine übermäßige Belastung darstellen. Dann muss das Gericht den Antrag des Vaters zurückweisen. Dafür reicht es aber nicht aus, dass die Mutter die gemeinsame Sorge ablehnt oder dass Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern bestehen. Vielmehr muss die elterliche Kommunikation so nachhaltig und schwerwiegend gestört sein, dass zu befürchten ist, dass den Elstern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird. – Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die Beziehung der Eltern eine ausreichende Basis für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge hergibt oder ob sie dem Kindeswohl widerspricht (OLG Celle Beschluss vom 16.1.2014 AZ 10 UF 80/13).
Nach der alten Gesetzeslage war der Vater von der elterlichen Sorge ausgeschlossen, wenn die Mutter ihre Zustimmung verweigerte.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am 21.7.2010 diesen Zustand für verfassungswidrig erklärt, weil dadurch das Elternrecht des Vaters (Artikel 6 Grundgesetz) verletzt werde. Obwohl es nicht sofort eine gesetzliche Neuregelung gab, waren seitdem die Familiengerichte schon verpflichtet, auf Antrag des Vaters über die elterliche Sorge zu entscheiden und zu prüfen, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht. Hierfür ist nun eine gesetzliche Grundlage geschaffen worden.
Das Familiengericht kann im beschleunigten schriftlichen Verfahren – ohne persönliche Anhörung der Eltern – entscheiden, wenn die Mutter entweder nicht Stellung nimmt oder sich zwar äußert, aber keine kindeswohlrelevanten Gründe vorträgt und dem Gericht derartige Gründe auch sonst nicht bekannt sind.
Wenn die Mutter allerdings Gründe vorträgt, die einer Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, darf das Gericht das vereinfachte Verfahren nicht mehr durchführen. Es muss dann in das normale Sorgerechtsverfahren überleiten, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen, eine Stellungnahme des Jugendamtes anfordern und im Termin die Eltern anhören. In der Regel wird auch ein Verfahrensbeistand für das Kind bestellt. Das Gericht ist gehalten, sich einen umfassenden Eindruck von den Beteiligten verschaffen. Zwar entspricht die gemeinsame Sorge dem Leitbild des Gesetzes. Doch ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob im Hinblick auf die soziale Beziehung der Eltern und ihre Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft die gemeinsame Sorge nicht (ausnahmsweise) dem Kindeswohl widerspricht.
Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Köln hin. In dem betreffenden Fall war die allein sorgeberechtige Mutter eines 12-jährigen Sohnes verstorben. Der Vater wollte das Sorgerecht. Zum Vater wollte das Kind jedoch nicht. Es hatte wiederholt erklärt, den Vater nicht mehr sehen zu wollen. Diese ablehnende Haltung hatte sich während des Verfahrens noch verstärkt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass es das Wohl des Kindes erheblich gefährde, wenn dieser Wunsch übergangen werden würde. Es sei vielmehr richtig, die Tante als Vormund einzusetzen. Dies entspreche sowohl dem testamentarischen Willen der verstorbenen Kindesmutter als auch dem geäußerten Wunsch des Kindes. Zudem lebe das Kind bereits im Haushalt der Tante und ihres Ehemannes. Es sei daher sachgerecht, wenn die Tante unmittelbar die Entscheidungen für das Kind treffen könne. Bedenken gegen ihre Erziehungsfähigkeit seien auch nicht ersichtlich (OLG Köln, II-4 UF 229/11).