Berliner Testament


1. Das gemeinschaftliche Testament kann nur von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern (§ 10 IV LPartG) errichtet werden. Es reicht, wenn einer der beiden das Testament eigenhändig schreibt und beide die Erklärung mit eigener Hand unterschreiben.

2. Die Ehegatten sollten das Schriftstück mit Ort und Datum versehen.

3. Das Ehegattentestament kann auch vor einem Notar errichtet werden.

4. Die Bindungswirkung des Ehegattentestamentes tritt erst mit dem Tod des ersten Ehegatten ein. Sie gilt nur für die im gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen. Das sind solche, die der eine Partner nur deshalb getroffen hat, weil auch der andere in bestimmter Weise verfügt hat (§ 2270 I BGB). Wortlaut bzw. Auslegung des Testamentes müssen ergeben, dass die Verfügungen des einen Partners von denen des anderen abhängig sind.
    
5. Häufigster Anwendungsfall für wechselbezügliche Verfügungen ist das Berliner Testament, in dem sich die Eltern gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben nach dem Längerlebenden einsetzen (§ 2269 BGB). Das gemeinschaftliche Testament kann aber auch Anordnungen enthalten, die für die Überlebenden nicht bindend sind.
    
6. Zu Lebzeiten entfaltet das Ehegattentestament noch keine Bindung. An die Änderung oder den Widerruf bestehen aber strenge Anforderungen. Ein Widerruf ist möglich durch
      •  gemeinschaftliches Widerrufstestament (§ 2254 BGB)
      •  Erbvertrag (§§ 2258, 2289 BGB)
      •  Gemeinschaftliche Rücknahme aus amtlicher Verwahrung (§§ 2256, 2272 BGB) oder
      •  Gemeinschaftliche Vernichtung der Testamentsurkunde (§ 2255 BGB)
    
7. Will einer der Ehepartner das Ehegattentestament widerrufen, muss der Widerruf in notariell beurkundeter Erklärung dem anderen zugestellt werden (§§ 2371, 2296 BGB).
    
8. Nach dem Tod des Erstversterbenden ist grundsätzlich kein Widerruf mehr möglich.
    
9. Die Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügungen entfällt, wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt (§ 2271 II BGB) oder das Testament anficht (§§ 2078 ff. BGB). Für die Anfechtung bedarf es eines Grundes, wie z. B. der Wiederheirat. Daher wir das Anfechtungsrecht im Testament oft ausgeschlossen.
    
10. Die Bindung des Ehegattentestamentes hindert den Längerlebenden nicht an lebzeitigen Verfügungen. Er kann sein Vermögen verkaufen. Im Fall des Verschenkens gilt § 2287 BGB.

 

In einem Berliner Testament werden 2 Erbfälle geregelt: Der Tod des ersten und der Tod des zweiten Ehegatten. Typisch ist das Berliner Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zum Alleinerben einsetzen und bestimmen, wer die Schlusserben sein sollen, wenn beide nicht mehr leben.

Hier stellt sich immer folgende Frage: Soll der überlebende Ehegatte berechtigt sein, nach dem 1. Erbfall die gemeinsame Schlusserbeneinsetzung zu ändern?

Vezichtet man auf eine solche Öffnungsklausel, steht die Schlusserbfolge fest. Beide können sicher sein, dass alles, wie gemeinsam festgelegt, bleibt. Der Überlebende kann nichts mehr ändern, dies aber auch dann nicht, wenn wesentliche neue Umstände eintreten, die eine Änderung an sich sinnvoll erscheinen lassen würden, z. B. ein Zerwürfnis mit einem drogensüchtig gewordenen Kind. Umgekehrt – wird also eine Öffnungsklausel verfügt – weiß keiner der beiden Eheleute, ob und in welcher Weise der Überlebende von seinem Änderungsrecht wohl Gebrauch machen wird.

Hier gibt es auch verschiedene Zwischenlösungen. Auf jeden Fall ist dieser Punkt sorgfältig zu bedenken.

In einem Beschluss vom 26.8.2010 (15 Wx 317/09) hat sich das Oberlandesgericht Hamm zu der Frage geäußert, ob ein gemeinschaftliches Testament geschiedener Ehegatten mit ihrer Wiederverheiratung erneut wirksam wird. Die Eheleute hatten 1970 geheiratet. 1979 errichteten sie ein Ehegattentestament, durch das sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten. 1987 wurde die Ehe geschieden. 1994 nahmen beide ihre Beziehung wieder auf und heirateten 2009 erneut. Kurz darauf verstarb der Ehemann. Die Ehefrau sah sich nun als Alleinerbin an. – Dem widersprach jedoch das Gericht: Das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1979 sei durch die Ehescheidung unwirksam geworden. Es sei nicht erkennbar, dass die Eheleute damals gewollt hätten, dass die gegenseitige Erbeinsetzung auch bei einer Scheidung fort gelten sollte. Durch eine Wiederheirat könne jedoch ein ungültiges Testament nicht wirksam werden. Die Eheleute hätten daher neu testieren müssen. Da sie dies nicht getan hatten, war die Ehefrau nach gesetzlicher Erbfolge nur Miterbin geworden – neben den Eltern des Ehemannes

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom  20.4.2010 zeigt, wie wichtig es ist, in einem Testament klare und umfassende Regelungen zu treffen.
Die Eheleute hatten sich in einem Berliner Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt und für den 2. Erbfall bestimmt, dass ihr jüngster Sohn der Erbe sein sollte. Nach dem Tode des Ehemannes errichtete die Ehefrau ein neues Testament und bestimmte, dass alle 8 gemeinsamen Kinder Erbe zu je 1/8 sein sollten. Als die Ehefrau starb, war der jüngste Sohn bereits verstorben. Er hinterließ eine Tochter, die Enkelin der Ehefrau. Nach welchem Testament richtete sich nun die Erbfolge? War das zweite,  abweichende Testament der Ehefrau wirksam? Das Gericht musste das Berliner Testament auslegen. Danach ergab sich zunächst, dass die Erbeinsetzung des jüngsten Sohnes für den überlebenden Ehegatten bindend sein sollte. Die Eheleute hatten aber nicht bedacht, dass der Sohn vor dem 2. Erbfall versterben könnte. Zwar ist im Zweifel gewollt, dass dann an seine Stelle seine Kinder treten. Diese Ersatz-Erbeinsetzung der Enkelin hielt das Gericht aber nicht für bindend, da hierzu in dem Berliner Testament nichts erklärt war. Maßgeblich war daher das 2. Testament. Die Enkelin war somit nur Erbin zu 1/8 geworden.

Das Oberlandesgericht Hamm hat sich in einer Entscheidung vom 6.1.2011 (15 Wx  484/10) mit einer Konstellation befasst, mit der sich die Gerichte schon mehrfach beschäftigen mussten. Die Eheleute hatten sich gemeinsam in einem Testament zu Erben eingesetzt und bestimmt „Wenn wir gleichzeitig versterben sollten, soll unser Nachlass an unsere Nichte fallen“. Der Ehemann starb 2007, die Ehefrau 2009. War die Nichte jetzt Erbin geworden? Oder lief das Testament ins Leere, weil die Eheleute ja nicht „gleichzeitig“, sondern nacheinander verstorben waren?

Darüber stritten nun die Nichte und die Kinder der Verstorbenen  über 3 Instanzen.  Das Oberlandesgericht hielt den Wortlaut des Testamentes nicht für eindeutig. Vielmehr sei das Testament auslegungsbedürftig. Deshalb müsse durch Zeugen geklärt werden, was die Verstorbenen genau gemeint und gewollt hatten. Dieser aufwendige und im Ergebnis ungewisse Rechtsstreit hätte durch eine exakte Testamentsgestaltung sicherlich vermieden werden können.

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 28.3.2011 (31 Wx 93/10) zeigt, dass man sich bei der Abfassung eines Berliner Testamentes über dessen Folgen im Klaren sein muss: Die Erblasserin war im Jahre 2009 verwitwet und kinderlos verstorben. Mit ihrem bereits 1983 verstorbenen Ehemann hatte sie ein gemeinsames Testament errichtet, in welchem sich die Eheltue gegenseitig zu Erben und die zwei Kinder des Ehemannes aus dessen 1. Ehe zu Schlusserben eingesetzt hatten. Im Jahre 2007 erbte die Erblasserin von ihrem Bruder ein erhebliches Vermögen. Jetzt wollte sie, dass dieses Vermögen nach ihrem Tod auf ihre Nichte überging. Sie setzte daher in einem neuen Testament ihre Nichte zu ihrer Alleinerbin ein. Nach ihrem Tode stritten die Kinder des Ehemannes und die Nichte der Erblasserin um die Erbfolge.

Das Gericht stellte fest, dass das letzte Testament unwirksam war, weil es gegen das bindend gewordene Berliner Testament de Eheleute aus dem Jahre 1983 verstieß. Die Kindes des Ehemannes hatten damit alles gerbt, auch das Vermögen, das die Erblasserin vor ihrem Tode von ihrem Bruder geerbt hatte. Ein unbefriedigendes Ergebnis, da man durch eine andere Testamentsgestaltung in 2007 den Wunsch der Erblasserin hätte umsetzen können.

Das gemeinsame Ehegattentestament (Berliner Testament) kann handschriftlich errichtet werden. Es muss dann von beiden Ehegatten unterschrieben werden. Was ist, wenn die Unterschrift eines Ehegatten fehlt?  Diese Frage musste das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 23.4.2014 – 31 Wx 22/14) entscheiden. Die Ehegatten hatten schriftlich festgehalten, dass sie sich gegenseitig beerben und ihre Verwandten dann Erben des Letztversterbenden sein sollten. Unterschrieben hatte aber nur der Ehemann. Das Gericht führte aus, dass ein solches Testament als Berliner Testament unwirksam sei.  Es könne jedoch möglicherweise in ein wirksames Einzeltestament des Ehemannes umgedeutet werden. Dafür sei entscheidend, ob der Ehemann die Erbeinsetzung seiner Frau unabhängig von seiner eigenen Erbeinsetzung gewollt habe. Dies ist eine Frage der Testamentsauslegung, die sich am konkreten Einzelfall orientieren muss. Sie wurde im Fall des OLG München verneint.