Bei einer Leistenbruchoperation ist über die in Betracht kommenden verschiedenen Operationsmöglichkeiten (mit und ohne Netzimplantation, konventionell oder in laparoskopischer Technik) aufzuklären, da es sich um mittlerweile standardmäßige Methoden zur Leistenbruchversorgung handelt, die im Hinblick auf die Möglichkeit eines Rezidivs des Leistenbruches sowie die auftretenden speziellen Risiken unterschiedlich sind.
Kommt es kurzfristig zu einem Wechsel der Operationsmethode, ist der Eingriff von der Einwilligung in die Operation nach der konventionellen Technik nicht gedeckt. Ein eEinwilligung aufgrund einer erst am tage der Operation vorgenommenen Aufklärung über die Operation mit einer anderen Technik, bei der der Patient bereits unter Medikamenteneinfluss steht, ist unwirksam.
(Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgericht vom 15.7.2010 – 12 U 232/09)
Für Fehler einer Hebamme muss der in Rufbereitschaft wartende Belegarzt erst ab dem Zeitpunkt einstehen, in welchem die Leitung der Geburt zu seiner Vertragsaufgabe geworden ist. Durch einen zutreffenden telefonischen Rat wird der Arzt nicht zum verantwortlichen Geburtsleiter.
Verabreicht die Hebamme der Gebärenden ein Medikament, das in der konkreten Situation absolut kontraindiziert ist (Nasenspray Syntocinon), stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar, auch wenn der gerichtliche Sachv erständige die Anwendung durch einen Arzt lediglich als „grenzwertig“ bezeichnet.
(Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5.2.2009 – 5 U 854/08)
Wenn der Arzt den Patienten auf die Notwendigkeit einer erneuten Vorsorgeuntersuchung hinweist und ihm dafür einen Zeitkorridor nennt, gibt es in der Regel keine rechtliche Pflicht, den Patienten an die Terminswahrnehmung zu erinnern. Abweichende Fallkonstallationen aufgrund des konkreten Einzelfalles sind allerdings denkbar.
(Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10.6.2010 – 5 U 217/06)
Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten vor einem Eingriff über dessen Risiken aufzuklären. Die Verletzung der Aufklärungspflicht führt zu einer Schadensersatzpflicht, wenn dem Patienten aufgrund des Eingriffs – in den er mangels Aufklärung nicht wirksam eingewilligt hat – ein Schaden entstanden ist. Eine mangelhafte Dokumentation kann im Arzthaftplichtprozess zu einer Umkehr der Beweislast zu Lasten des Arztes führen.
Eine Aufklärung über technische Details einer Operation schuldet der Arzt allerdings nur dann, wenn den unterschiedlichen Schritten des Eingriffs auch unterschiedliche Risiken und Chancen anhaften.
(Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 6.1.2010 5 U 949/09)
Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 18.6.2013 (AZ: 26 U 85/12) einen Arzt zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 220.000 € verurteilt, weil dieser den Patienten über mögliche Risiken und Komplikationen bei einer Darmspiegelung nicht hinreichend aufgeklärt hatte.
Der Arzt hatte bei dem Patienten eine Darmspiegelung (Koloskopie) vorgenommen. Dabei kam es zu einer Verletzung der Darmwand, was eine Bauchfellentzündung zur Folge hatte. Daraus ergaben sich wiederum schwere Komplikationen.
Das Gericht machte deutliche Ausführungen zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht:
„Der Patient soll durch das Aufklärungsgespräch „Art und Schwere“ des Eingriffs erkennen. Dazu müssen ihm die Risiken zwar nicht in allen denkbaren Erscheinungsformen dargestellt werden, es genügt vielmehr ein „allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des konkreten Risikos“ („im großen und ganzen“). In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass der Patient auch auf seltene und sogar extrem seltene Risiken hingewiesen werden muss, wo diese Risiken, wenn sie sich verwirklichen, „die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch, für den Laien aber überraschend sind“. Der Sachverständige hat dazu in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass eine im Rahmen einer Koloskopie auftretende Perforation eine seltene Komplikation sei, die jedoch – falls sie eintrete – in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Bauchhöhlenentzündung zur Folge habe, so dass deren operative Sanierung notwendig werde. Daher sei das Risiko einer Perforation üblicherweise Gegenstand des Aufklärungsgesprächs.“
Im entschiedenen Fall hatte der Arzt nicht beweisen können, dass er den Patienten in dieser Weise über die Risiken der Darmspiegelung aufgeklärt hatte. Der Patient hatte plausibel dargelegt, dass er bei entsprechender Aufklärung die Behandlung zumindest aufgeschoben oder sich eine 2. ärztliche Meinung eingeholt hätte. Im Hinblick auf die schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, die sich aus dem Eingriff ergeben hatten, sprach das Gericht ein Schmerzensgeld von 220.000 € zu.